Schneckschen,
dieser Post ist nun für alle, die DAS auch mal erlebt haben. Ihr wisst ja, dass es vier Aggregatzustände gibt, oder?
1. Fest
2. Flüssig
3. Gasförmig
4. Dachgeschosswohnung
Mädels, zur Dachgeschosswohnung hab ich selbstverständlich auch was zu erzählen. Natürlemon. Hatte ich nämlich auch mal in meinem Leben. Damals. Anno Tobak. Um genau zu sein, es war nicht direkt nach dem zweiten Weltkrieg, auch wenn sich das gleich etwas so anliest, woll?
Man schrieb das Jahr 1987 und datt Bineken zog vom verträumten dreihunderteinwohnerschwachen Sauerlandseelenörtchen inne große weite Welt, die für mich Gelsenkirchen-Rotthausen hieß. Ne, watt fürn Kulturschock. Der hätte für mich ernsthaft größer nicht sein können.
Anfangs hab ich mich immer schlappgelacht, wenn die Leute in der Stadt ihre Bahn oder den Bus verpasst haben und wie die Rohrspatzen schimpften. Bedeutete in letzter Konsequenz dann höchstens? Jepp, eine Verspätung von zehn beziehungsweise zwanzig Minuten. Ach ne, wie niedlich.
Diese Luxusprobleme hätten wir auffm Dorf sehr gerne gehabt. Bei uns fuhren morgens genau zwei Busse. Einer nach Meschede, der andere nach Schmallenberg. Wenn der Bus wech war, war er wech…
Jo, und meine zweite klitzekleine Wohnung, die ich mir von meinem Ausbildungslohn plus Berufsausbildungsbeihilfe so gerade eben leisten konnte, hatte exakt zwei Zimmer. Vorher war’s nur eins. Steigerung um einhundert Prozent, Wahnsinn woll?
Und wenn ich schreibe zwei Zimmer, dann meine ich auch zwei Zimmer. Einen Wohnungsflur gab es nicht. Man stand, wenn man die Tür öffnete, direkt in der Küche. Daneben das Wohn-/Schlafzimmer.
Die Räumlichkeiten waren ohne Heizung und Bad. Das Schlafzimmer nur mit einem einzigen Radiator bestückt. Und auch den hatte ich mir noch ausleihen müssen. Das restliche, überlebensnotwendige Inventar, war ebenfalls geborgt oder bestand aus ausrangierten Möbeln, die man mir geschenkt hatte, weil ich zu dieser Zeit ziemlich mittellos war. Also schön und gemütlich war da jetzt so gar nix, könnt Ihr Euch vorstellen, ne?
Und Strom, um den Heizkörper warm zu bekommen, meine Lieben, war damals schon echt teuer. Zumindest für meinen kargen Geldbeutel. Naja, aber dafür lag ja meine Toilette, die ich mir mit meiner älteren Nachbarin teilen musste, nur eine Treppe tiefer, im Hausflur…
Ach, ich war doch schon froh, dass ich nachts nicht auch noch nach draußen auf ein Plumpsklo musste. Ja, man wird schon automatisch bescheiden, wenn es die speziellen Umstände erfordern…
Kinners, kurze Frage noch: habt Ihr vielleicht schon mal in einer Wohnung mit vier Außenwänden gelebt? Nicht? Ich in Gelsenkirchen schon. Ist übrigens auch im Winter die Vollkatastrophe, nicht nur im Sommer. Nur, dass Ihr es mal gehört habt, wenn Ihr sowas nicht kennen solltet.
Meine beiden Zimmer lagen im dritten Stock, direkt neben dem Dachboden. Im Frühjahr zog ich ein und eigentlich hatten mir meine Vermieter zum Herbst hin fest versprochen, einen Teil dieses Dachbodens für ein Badezimmer entsprechend auszubauen. Durchbruch zur Küche. Feddisch.
Mädels, jetzt mal Tacheles gesprochen, ohne dieses Versprechen wäre ich doch nie im Leben in diese Hucke eingezogen. Never ever! Wie gesagt, es war eben NICHT direkt nach dem Krieg, sondern Mitte der 80iger Jahre und ein Bad in einer Wohnung mit dazugehöriger Toilette war selbst zu dieser Zeit schon Standard in deutschen Wohnungen. Auch im Pott!
Tja, EIGENTLICH hatte mir das Vermieterehepaar den Bau des Badezimmers in die Hand versprochen. Heute weiß ich leider, es war alles nur dummes Geschwätz. Ein Badezimmer war zu keiner Zeit ernsthaft in Planung und die Herrschaften wollten nur ihre beiden leerstehenden Räumlichkeiten monatlich etwas gewinnbringend verscherbeln. Konnte doch keiner ahnen…
Und ich war gerade Anfang zwanzig und dachte noch völlig naiv, dass man Versprechen auch einhalten muss. Schließlich waren es langjährige Bekannte der Eltern meines damaligen Freundes. Die belügen einen doch nicht. Nahm ich an. Jo, falsch gedacht. Ich schätze ungefähr dreißig Mal, während meiner Ausbildungszeit, hab ich das Gespräch diesbezüglich gesucht und wurde mit immer neuen saublöden Ausreden abgespeist und vertröstet.
Die beiden Zimmerchen kosteten mich monatlich einhundertzwanzig Mark an Miete und fünfundsechzig Mark Stromkosten. Vorausgesetzt, ich ging sparsam mit dem Gerät um. Kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen, oder?
Huch, fast vergessen. Wieso ich im Winter vier eisigkalte Außenwände hatte, wollte ich noch eben kurz erzählen. Ganz einfach, eine Seite der Wohnung ging zur Straße hinaus, die zweite Seite zum Dachboden, die dritte zum Flur und die vierte zu meiner freundlichen Nachbarin. Über mir war ja dann niemand mehr. Ergo – auch kalt.
Die ältere Nachbarin hatte, genau wie ich, auch keine Kohle und war finanziell gar nicht in der Lage ihre Wohnung warm zu halten. Im Winter, wenn ich sie kurz mal auf dem Weg zur Toilette traf, hatte sie immer mehrere Klamotten-Schichten an. Dünne Unterziehpullis, dickere Pullover und darüber noch eine warme dunkelrote Strickjacke.
Seit dieser Zeit weiß ich übrigens die Funktionalität eines Zwiebellooks auch zu schätzen. Nur, mit dem kleinen Unterschied, ich hatte leider nicht so viele Pullis wie meine Nachbarin, die ich hätte anziehen können.
Also war Zittern und Frieren angesagt. Den kleinen Radiator stellte ich am späten Abend immer auf Stufe zwei und direkt neben meine, in der Mitte ausklappbare Couch, damit ich nachts einigermaßen schlafen konnte.
Aber Kinners, ich will nicht meckern, watt uns nicht umbringt, macht uns doch nur noch härter, woll? Außerdem wechseln ja auch die Jahreszeiten immer regelmäßig.
Für unsere Eltern, die Nachkriegsgeneration, wäre all das purer Luxus gewesen. Ich weiß. Tja, so verschieben sich eben in den Jahrzehnten die Sichtweisen. Für mich unvorstellbar. Mir reichte das Erlebte schon vollkommen aus…
Na, und im Sommer gab es dann ja auch schon wieder neue Herausforderungen. Habt Ihr Euch eigentlich schon mal bei brütender Hitze nur waschend mit einem 3-Liter-Wasserboiler beholfen? Nicht? Och, das ist eigentlich ganz arg lustig. Aber wirklich nur dann, wenn man jung ist.
Aber Mädels, nichtsdestotrotz, muss ich heute sagen: es war doch schon eine geile Zeit. Irgendwie. Die erste eigene Wohnung, und sei sie noch so bescheiden, bedeutet doch Freiheit pur. Und das war letzten Endes für mich entscheidend das eigene Ding, auch unter widrigen Bedingungen, voll durchzuziehen…
Es gibt eben für alles eine Lösung.
In diesem Fall hatte ich folgende: zweimal in der Woche bin ich ins Zentralbad in Gelsenkirchen an der Overwegstraße gegangen. Aber nicht um Bahnen zu schwimmen, sondern nur um mich duschen zu können. Jo, sowas geht auch in Schwimmbädern. Kaum zu glauben, aber Not macht eben erfinderisch. Pro Duschgang kostete mich der Spaß zwar satte zwei Mark, für mich damals echt ein kleines Vermögen, aber so konnte ich diese Phase gut überbrücken.
Mädels, das sind vielleicht kleine Horrorgeschichten, oder? Aber, wem erzähle ich das eigentlich? Wie habt Ihr denn so angefangen Eure Selbstständigkeit auszuleben? Meine Historie könnt Ihr doch sicher locker toppen, oder?
Hah, dachte ich es mir doch…
Na, dann legt mal los, damit sich mein Trauma endlich nach so vielen Jahren etwas relativieren kann, Ihr wisst ja: geteiltes Leid ist halbes Leid!
Getoppt werden, meine lieben Leser, kann übrigens sehr schlecht dieser Obatzter von der Zaubernixe Sybille Krebs. Oh Mann, da kann sich der Brotaufstrich aus dem Grundkochbuch total hinter verstecken. Unglaublich lecker.
Müsst Ihr unbedingt probieren. Ein bayrischer Traum. Ährlisch! Vorzüglich. So muss für mich ein Gerupfteter schmecken, nicht so wie der gekaufte Angemachte aussm Lidl, den hab ich mal probiert, ging geschmacklich echt überhaupt gar nie nich, Kinners…
So long, woll? Bin gespannt wie ein Flitzebogen, was es jetzt von Euch so zu berichten gibt…möglicherweise, wenn ich Glück habe…
Eure Bine
Rezept: